GESCHÄFTS-GEBAHREN

GERADE BEGANN DER LOCKDOWN DER GESELLSCHAFT WIRKUNG ZU ZEIGEN UND DIE REPRODUKTIONSRATE DES VIRUS SANK UNTER DEN WERT EINS – WEIL EIN PATIENT IM MITTEL WENIGER ALS EINEN WEITEREN MENSCHEN ANSTECKTE – ALS DIE WIRTSCHAFT IHRE INTERESSEN IMMER LAUTER ANMELDETE. WÄHREND DIE BEVÖLKERUNG EINSICHT ZEIGTE, ENTWICKELTE SICH DIE ÖFFENTLICHE, VON LOBBYGRUPPEN GETRIEBENE DISKUSSION IM KERN ZUR FRAGE „GELD ODER LEBEN“...

Ich habe lange überlegt, wie ich dieses Kapitel nennen sollte. Schnell drängte sich mir die Überschrift „Geld-Gier“ auf und machte sich in großen roten Lettern einen ganzen Monat lang auf diesem Blatt breit. Dabei ließ ich mich vom Gedanken leiten, dass selten Wirtschaftsinteressen und der Schutz von Menschen so stark aufeinanderprallten wie in der Coronakrise. Wir können jetzt wirklich nicht mehr so weiter machen, hörte man schon drei Tage nach der ersten Kontaktbeschränkung in deutschen Talkshows jammern. Und ARD Brisant beschrieb am 12. März die Situation als „verzwickt“. „Verzwickt“? Das empfand ich angesichts der vielen Toten in Italien und Spanien als geschmacklos. Am Ende des Tages spitzte sich die Corona-Debatte die Deutschland auf eines zu: Wer würde sich in der Frage „Geld oder Leben“ durchsetzen?

Zugegeben, vielleicht waren meine Tweets seinerzeit auch etwas sehr pathetisch. Ich bin allerdings heute noch fest überzeugt, dass es in jeder Krise auch Menschen braucht, die an die Schicksale jenseits von Statistiken erinnerten und dafür sorgen, dass sich die anderen nicht an die täglichen Zahlen von Toten gewöhnen. Oder dass Führungskräfte in Wirtschaft und Politik bei aller Wahrung von Interessen den Menschen nicht aus dem Blick verlieren. Jegliche Form von Empathie würde ich etwa US-Präsident Donald Trump absprechen. Empathie im Sinne von „sich in andere Menschen (als sich selbst) hineinzuversetzen“. Dafür rannte die Industrielobby bei ihm offene Türen ein. Die Wirtschaft müsse weiter laufen, sagte er, sonst gebe es bald mehr Selbstmorde als Coronatote. Zunächst tat man Trumps Äußerungen hierzulande als übliches Geschwafel ab.Rasch allerdings war sehr Ähnliches beispielsweise auch von der FDP zu hören. Dann kam ein Argument auf die politische Agenda, dem ich mich nicht ganz verschließen konnte. Wer sollte denn die medizinische Versorgung finanzieren, wenn die ganze Wirtschaft zusammenbreche? Welche gesundheitlichen und sozialen Folgen würde ein ausgedehnter Lockdown für die Gesellschaft haben? Wie ernst würde es wirklich werden – mit der Krankheit und mit der Wirtschaft? Lautete die Alternative denn tatsächlich „Geld oder Leben?“, „Reich oder gesund“ oder etwas bescheidener formuliert „Arm oder krank“? Keiner konnte das zu Krisenbeginn sagen. Doch während die Zahlen der Infizierten und Toten in die Höhe schnellte, stürzten Kurse und Prognosen in den Keller.

Buch WAHRHEIT ÜBER CORONA weiterlesen?